In der Schuldenfalle – Warum sich Jugendsünden rächen | DOK | SRF
Ausstrahlung: Donnerstag, 5. Januar 2023, 20.05 Uhr, SRF 1
«Der Auszug von zuhause ist die grösste Schuldenfalle», sagt Yves de Mestral, Betreibungsbeamter in
Zürich. Nach der Volljährigkeit steigt die Verschuldung in der Schweiz um den Faktor 70 an. Vor allem
Krankenkassen- und Steuerschulden sind ein Problem. Was sind die Gründe?
SRF DOK In der Schuldenfalle – Warum sich Jugendsünden rächen Jede 7. Person in der Schweiz lebt
in einem Haushalt mit Zahlungsrückstand.
Kiri, Donald, Erika und Fränzi sind berufstätig. Trotzdem leben sie mit Schulden und sie sind keine
Ausnahme. Praktisch jede siebte Person in der Schweiz lebt in einem Haushalt mit
Zahlungsrückstand. Die meisten Betreibungen werden wegen Krankenkassenprämien eingeleitet, die
höchsten Beträge machen Steuerschulden aus. Viele junge Erwachsene wissen nicht, dass ab dem 18.
Altersjahr die Krankenkassenbeiträge sehr viel höher sind und dass Steuerrechnungen ein bis zwei
Monatslöhne ausmachen. Das führt dazu, dass sie gleich zu Beginn ihres Erwachsenenlebens in die
Schuldenfalle geraten. Wieder herauszufinden, ist schwierig. Das zeigt dieser Film.
Kiri E. ist 23 und seit der Volljährigkeit überschuldet. Die Fachfrau Kundendialog lebt auf dem
Existenzminimum. Sie hat 10'000 Franken Schulden und muss das ändern. Doch wo beginnen? Mit
ihrem bescheidenen Teilzeitlohn ist eine Schuldentilgung fast nicht möglich, denn Krankenkassen-
und Steuerschulden summieren sich laufend auf.
Erika Müller ist heute 35 Jahre alt und hat bereits als 18-Jährige Krankenkassenschulden von ihren
Eltern übernommen. Über die Jahre ist sie immer tiefer in die Schulden geraten. Am Schluss war sie
mit 50'000 Franken verschuldet und geriet in eine schwere Depression. Überforderung und Scham
hielten sie lange davon ab, Hilfe zu suchen. Seit eineinhalb Jahren ist sie nun in einer
Schuldensanierung.
Franziska Neuhaus weiss ebenfalls, wie lange es geht, bis man wieder schuldenfrei ist. Bei der 39-
jährigen Kundenberaterin hat es 20 Jahre gedauert, denn Steuern und Krankenkassenbeiträge
wurden auch bei ihr weiter fällig. Daneben noch Rückzahlungen zu leisten, ist für viele Betroffene
schwierig bis unmöglich – das hat Franziska Neuhaus selber schmerzlich erfahren.
Laut Yves de Mestral, dem Präsidenten der Zürcher Betreibungsämter, bringen
Krankenkassenbeiträge und Steuern viele Leute in die Verschuldung. Anders als im umliegenden
Ausland werden diese Beträge in der Schweiz nicht direkt vom Lohn abgezogen. Es wäre jedoch an
der Zeit, das Schweizer System zu überdenken, meint de Mestral. Zudem macht er sich für das
sogenannte Restschuldbefreiungsverfahren stark. Diese Änderung des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts ist im Moment in der Vernehmlassung und hat zum Zweck, dass jahrelang
verschuldete Menschen von ihrer Restschuld befreit werden können, sofern sie keine neuen
Schulden machen.
Für Donald Niebaum wäre ein solches Restschuldverfahren die Rettung. Die Schulden des 37-jährigen
Malers und Familienvaters belaufen sich mittlerweile auf 88'000 Franken. Mit einem Einkommen von
knapp 5000 Franken im Monat würde er etwa 20 Jahre brauchen, um den Schuldenberg abzuzahlen.
Eine Schuldensanierung ist praktisch unmöglich. Und er ist kein Einzelfall: Die ausstehenden Beträge
aus Verlustscheinen betragen in der Schweiz circa 20 Milliarden Franken, nur etwa 17 Prozent dieser
Gelder werden effektiv zurückbezahlt.
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